In einer globalisierten Welt, in der die kulturellen und religioesen Beziehungen zwischen Christentum, Islam und Judentum, deren Unterschiede, aber vor allem auch deren Gemeinsamkeiten beinahe taeglich intensiv aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert werden, finde ich es geradezu unverantwortlich, dass ausgerechnet einer Forscherin gekuendigt wird, die sich seit langem unter anderem auch mit den kulturhistorischen Dimensionen dieser Thematik beschaeftigt hat und einige der Ursachen fuer die z.T. schwierigen Relationen innerhalb jener Kulturen erforscht hat. Auf die historische Dimension heutiger Probleme zu verzichten – und nichts anderes bedeutet die Entlassung der Kollegin Anne Simon! – scheint mir in etwa so sinnvoll wie Autofahren ohne Rueckspiegel! Wer das riskieren soll, soll es gern versuchen, sehr weit wird er vermutlich nicht damit kommen.
Monthly Archives: October 2010
Prof. Dr. Victor Millet (Universidade de Santiago de Compostela)
it is with astonishment that I have heard of the dismissing of our dear colleague Dr. Anne Simon from the University of Bristol. As you are coordinating the protest that has raised in the international community of medievalists, I am writing to you to express my deep concern for this decision and to explain why I think it is a step in the wrong direction.
1. To argue that, being in need of saving money, it is the best solution do divest a German Department of its only expert in mediaeval and early modern language and literature is definitely not an academic reasoning. Instead, it rather reflects poor scientific minds or covers other political motivations.
2. Because it is well known, that mediaeval and early modern language and literature are of great didactical importance in the formation of students. Nobody claims to give them a similar repre-sentation to modern literature and linguistics. But certainly without them, that is, without their cultural and scientific history, the latter disciplines will in the long term not be able to justify themselves in academic policies.
3. This is the reason why every German Department in the world that aims to be able to be competi¬tive in the international context offers lectures in older language and literature, in Spain sometimes even when they do not have real experts.
4. This is definitely not the case of Bristol, because Dr. Anne Simon is a very well-known teacher and researcher who has earned international respect for her publications and lectures.
5. Specialization may be a policy in some scientific areas, where investment in competitive laboratories or other expensive equipment can make a concentration on certain fields advisable. But in the Humanities academic quality is always attained by achieving a representation of all the important fields of learning. A Department of Classical Studies would not be conceivable without Greek or without Latin, and an English Department must offer teaching both on Chaucer and on Beowulf and their contexts.
6. Dr. Anne Simon is an international well related and respected colleague. On the long term, the University of Bristol will find out that it has lost an important piece for its international reputation.
Statement Dr. Klaus Kipf (VL16)
als Redakteur des Verfasserlexikons zur Fruehen Neuzeit in Deutschland, eines Unternehmens, das mit erheblichen Mitteln von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefoerdert wird und auf die Mitarbeit zahlreicher Fachkolleginnen und -kollegen im In- und Ausland angewiesen ist, bin ich entruestet ueber die ploetzliche Kuendigung der Kollegin Dr Anne Simon, deren Forschungen zum Mittelalter und zur Fruehen Neuzeit international hoch angesehen sind. Mehr noch aber erstaunt die Begruendung des zustaendigen Dekans der Faculty of Arts der Universitaet Bristol, da sie von einem beklagenswerten und letztlich selbstzerstoererischen Desinteresse an der historischen Dimension von Sprache, Literatur und Kultur fuehrt, die in letzter Konsequenz zur Selbstabschaffung der Geistenwissenschaft (arts) an der Universitaet fuehren wuerde.
Prof. Dr. Dr. h.c. Volker Mertens (FU Berlin)
umso empoerender, als gerade eine Stipendiatin des Abgeordnetenhauses, die ich mit ausgewaehlt habe, mit warmen Worten von Anne Simon sprach – Catriona Firth ist keine Mediaevistin, hielt aber dieses Fach fuer einen wesentlichen Bestandteil ihres Studiums.
“Zukunft braucht Herkunft”: mit diesem Wort von Odo Marquardt muss man gegen die Geschichtsvergessenheit ankaempfen, die sich in solchen Aktionen manifestiert – ganz zu schweigen von den Verdiensten Annes, die ja 2001 das Anglo German Colloquium nach Bristol geholt hat und eine auf der ganzen Welt anerkannte Kollegin ist.
Dr. Susanne Reichlin (Universitaet Zuerich)
Literatur entsteht immer in Beziehung zu vorangehenden, aelteren Erzaehltraditionen. Ein “German Department”, das sich der mittelalterlichen und fruehneuzeitlichen Literaturwissenschaft ‘entledigt’, verunmoeglicht seinen Studierenden zu dieser, fuer das Fach zentralen Erkenntnis zu gelangen. Ohne ein Bewusstsein fuer die Geschichtlichkeit der Literatur, wird Literaturwissenschaft eindimensional und gegenwartshoerig.
Statement Prof. Dr. Berta Raposo Fernández (Universitat de València)
Die Beschaeftigung mit den mittelalterlichen Grundlagen unserer gegenwaertigen europaeischen Kultur und Gesellschaft sollte unverzichtbarer Bestandteil eines geisteswissenschaftlichen Studiums sein und bleiben. Frau Simon hat sich durch ihre Forschungsleistungen um die internationale germanistische Mediaevistik verdient gemacht, und es waere sehr zu wuenschen, dass sie ihre Taetigkeit in diesem Bereich an der Universitaet Bristol weiterfuehren koennte.
El estudio de los fundamentos medievales de nuestra actual cultura y sociedad europea deberÃa ser y seguir siendo parte imprescindible de una carrera humanÃstica. La Sra. Simon se ha distinguido en la GermanÃstica internacional por sus méritos de investigación en el campo de la MedievÃstica, y serÃa muy deseable que pudiera continuar su actividad en este campo en la Universidad de Bristol.
Statement Dr. Wolfram Schneider-Lastin (Universitaet Zuerich)
Statement Dr. Stefan Seeber (Universitaet Freiburg/Oxford)
Die Germanistik lebt gerade in der neuen, auch politisch forcierten kulturwissenschaftlichen Ausrichtung als German Studies davon, dass sie breit aufgestellt ist – eine Neugermanistik ohne mediaevistischen und fruehneuzeitlichen Forschungshintergrund ist wie ein Ast ohne Stamm und Wurzeln und verliert ebenfalls ihren Sinn. Dr Simon steht fuer eine umfassende Aufstellung der Germanistik auf der Basis hervorragender Forschungsarbeit und grossen Engagements. Ihre Entlassung ist somit nicht nur eine unbotmaessige Haerte gegen eine verdiente und langjaehrige Mitarbeiterin der Universitaet Bristol, sondern ein Angriff auf die Germanistik insgesamt.
Statement Prof. Dr. Markus Stock (University of Toronto)
I am writing to express my deep concern and shock about your recently announced plans. I would like to point out that Bristol University’s reputation will suffer immensely if it continues to dismantle Medieval and Early Modern German Studies. Dr Anne Simon, whom I understand you plan to make redundant, is one of the finest and most respected scholars of Medieval and Early Modern German literature and culture in Britain and internationally. Dr Simon’s stellar research has not only informed but in fact shaped research areas in the field early modern German travel literature and city culture. It seems short-sighted that the administration deems that it is in the best interest of the German Department to divest it of its mediaeval/early-modern component. In fact, Bristol has had an excellent reputation for its interdisciplinary medievalist scholarship, of which Dr Simon was an integral part. I appreciate the fiscal stress your institution experiences, but it seems not to be in its best interest to jeopardize its fine international reputation as a bastion of liberal arts by the measures you propose. I urge you to reconsider.
Prof. Dr. Uta Stoermer-Caysa (Universitaet Mainz)
das ist in der Tat ein Alarmsignal. Die deutsche Philologie ist allenthalben auf dem Rueckzug; auch aus Frankreich hoert man alarmierende Meldungen; umgekehrt will auch im Ausland kaum noch jemand franzoesisch studieren, den Romanisten geht es anderswo wie den Germanisten. Darin zeigt sich eine (letzten Endes von politischen Interessen geleitete) Tendenz zur Verarmung der Hochschullandschaft, zur sprachlichen Monokultur im Interesse eines gestoppelten Englischen, das den sprachbewussten Muttersprachlern nicht recht sein kann, weil es auf laengere Sicht die Aesthetik der Rede aus der Universitaet verbannen wird. Aber das ist nur die Haelfte des Problems; dass zuerst am Mittelalter und der fruehen Neuzeit gespart wird und dass man die Literaturgeschichte so spaet wie moeglich beginnen laesst, ist eine Tendenz, die auch die Anglisten, Romanisten und Slawisten betrifft, und zwar ueberall in Europa, auch in den Laendern, in denen sie jeweils muttersprachliche Faecher vertreten. Das laesst sich mit dem Blick auf die Stellung des Deutschen nicht erklaeren, sondern es gehoert zu einem Prozess der schleichenden Enthistorisierung des oeffentlichen Bewusstseins, der fatale Folgen hat, weil die Tiefe der Vergangenheit mit ihren wechselnden Buendnissen, weil die kulturellen Hochblueten an ihren wechsenden Orten etwas sehr Ausgleichendes und ueber das Verhaeltnis der Sprachen und Voelker Belehrendes haben. Deshalb hoffe ich auf eine Revision dieser Entscheidung.