das ist in der Tat ein Alarmsignal. Die deutsche Philologie ist allenthalben auf dem Rueckzug; auch aus Frankreich hoert man alarmierende Meldungen; umgekehrt will auch im Ausland kaum noch jemand franzoesisch studieren, den Romanisten geht es anderswo wie den Germanisten. Darin zeigt sich eine (letzten Endes von politischen Interessen geleitete) Tendenz zur Verarmung der Hochschullandschaft, zur sprachlichen Monokultur im Interesse eines gestoppelten Englischen, das den sprachbewussten Muttersprachlern nicht recht sein kann, weil es auf laengere Sicht die Aesthetik der Rede aus der Universitaet verbannen wird. Aber das ist nur die Haelfte des Problems; dass zuerst am Mittelalter und der fruehen Neuzeit gespart wird und dass man die Literaturgeschichte so spaet wie moeglich beginnen laesst, ist eine Tendenz, die auch die Anglisten, Romanisten und Slawisten betrifft, und zwar ueberall in Europa, auch in den Laendern, in denen sie jeweils muttersprachliche Faecher vertreten. Das laesst sich mit dem Blick auf die Stellung des Deutschen nicht erklaeren, sondern es gehoert zu einem Prozess der schleichenden Enthistorisierung des oeffentlichen Bewusstseins, der fatale Folgen hat, weil die Tiefe der Vergangenheit mit ihren wechselnden Buendnissen, weil die kulturellen Hochblueten an ihren wechsenden Orten etwas sehr Ausgleichendes und ueber das Verhaeltnis der Sprachen und Voelker Belehrendes haben. Deshalb hoffe ich auf eine Revision dieser Entscheidung.
Category Archives: The future of medieval studies in Britain
Statement Prof. em. Roy Wisbey (King’s College London)
I have a high regard for Dr Simon’s work, which has fully lived up to its original promise, and for her commitment to the profession. What I should like to stress is the wider context. Medieval German language and literature and the early modern period will no longer be taught for German at King’s College London. Provision for this important specialism over the whole of the United Kingdom, through similar moves, was already very thin before this latest cut by Bristol. There is now a danger that the whole of the first thousand years of German literature and literacy will no longer be known to students of German across the country. In view of the great richness of Middle High German literature, quite apart from Reformation studies, this would be an impoverishment comparable to not teaching anything in English before Shakespeare.
Offener Brief an die germanistische Mediävistik
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitglieder der Wolfram-Gesellschaft und Anglo-Deutsche,
wie einige von Ihnen schon gehört haben werden, ist Dr. Anne Simon, die vielen von Ihnen durch Ihre Beiträge zu verschiedenen Anglo-Deutschen Kolloquien, zur Nürnberg-Forschung, zur Reiseliteratur und vielem mehr bekannt sein dürfte, von der Universität Bristol am Dienstag gekündigt worden – eine sogenannte „compulsory redundancy“ als Gegensatz zum „freiwilligen“ vorzeitigen Gehen.
Das ist nicht nur ein empörender Fall, sondern auch ein Angriff auf die germanistische Mediävistik. Die offizielle Begründung des Dekans im Schreiben lautete, dass es im langfristigen Interesse der Germanistik in Bristol sei, Mediävistik und frühe Neuzeit abzubauen („the Faculty needs to save money and it has been decided that it is in the best long-term interest of the German Department to divest it of its mediaeval/early-modern component. “)
Dr Elizabeth Andersen und ich koordinieren ein formelles Protestschreiben der britischen Mediävistinnen und Mediävisten an den verantwortlichen Dekan der Artistenfakultät (einen klassischen Philologen!) und hätten dafür gern so viel wie möglich Rückendeckung gerade aus der deutschen und internationalen Germanistik.
Ich würde daher Sie um Meldungen an meine email-Adresse zu zweierlei bitten:
1. um unterstützende Statements, die gerade auf die Forschungsleistung von Anne Simon hinweisen. Gerne auch auf Deutsch, um die internationale Dimension des Protestes zu unterstreichen! Die enge Vernetzung der britischen und der deutschen germanistischen Mediävistik war immer eine besondere Stärke, die in Zeiten der Internationalisierung der geisteswissenschaftlichen Forschungslandschaft von besonderer Bedeutung ist.
2. ob Sie bereit sind, dass Ihr Name in einer Zeitungsannonce in einer britischen Tageszeitung (wahrscheinlich Guardian) genannt wird.
Wenn Sie direkt an den Dekan Prof. Martindale schreiben wollen, ist das selbstverständlich auch willkommen – und natürlich auch an Anne Simon selbst. Die Zeit drängt – am Montag will eine Journalistin vom Guardian einen Artikel schreiben, der am Dienstag veröffentlicht werden soll.
In der Hoffnung auf einen vielstimmigen, kräftigen Appell, der die Lebendigkeit und den traditionell guten Zusammenhalt der germanistischen Mediävistik über die Landesgrenzen hinweg zeigt, grüßt herzlich aus dem herbstlich-sonnigen Northumberland
Henrike Lähnemann